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Bipolare Störung

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Bipolare Störungen - Eine Erkrankung mit zwei Gesichtern Eine Informationsschrift der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. für Patienten und Angehörige

Bipolare Störungen (auch als manisch-depressive Erkrankungen bekannt) gehören zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen in der Bundesrepublik Deutschland. Schätzungsweise 1,5 bis 3 Prozent unserer Bevölkerung sind von diesem Leiden betroffen. Jedoch werden nur etwa zehn bis fünfzehn Prozent der Betroffenen einer entsprechenden Behandlung zugeführt. Dabei bringt die Erkrankung einen immensen Leidensdruck sowohl für die Patienten als auch für die nächsten Angehörigen mit sich.

Was sind Bipolare Störungen? Jeder Mensch hat bei sich selbst bestimmt schon Stimmungsschwankungen festgestellt. Wir ärgern uns,wenn wir zu Unrecht gerügt werden oder freuen uns über ein Lob. Diese Stimmungsveränderungen sind ganz normale Reaktionen auf entsprechende Lebenssituationen und ein wesentlicher Bestandteil unseres täglichen Lebens. Im Gegensatz dazu kommt es bei Menschen, die an Bipolaren Störungen leiden, zu völlig übersteigerten Stimmungsschwankungen. Typischerweise treten sie entweder ohne einen entsprechenden Anlass auf oder sie bleiben nach einer bestimmten Lebenssituation wie z.B. dem Verlust eines nahestehenden Menschen auch dann weiter bestehen, wenn die auslösende Situation eigentlich keine Belastung mehr darstellt. Die Stimmungsschwankungen entwickeln also eine Eigendynamik, die nicht mehr mit äußeren Umständen erklärbar ist. Mit Bipolaren Störungen bezeichnet man eine Gruppe krankhafter Stimmungsschwankungen bzw. - veränderungen, die sich zwischen himmelhoch jauchzend (manisch) und zu Tode betrübt (depressiv)bewegen und durchaus sehr verschiedene und individuelle Ausprägungen sowie Verläufe haben können. Es handelt sich um keine klar umschriebene Erkrankung wie man es etwa vom Bluthochdruck oder Diabetes mellitus kennt, sondern um eine in Episoden verlaufende psychische Erkrankung, die das ganze Spektrum der menschlichen Stimmungszustände widerspiegeln kann. Manie und Depression bezeichnen dabei die Tendenz der Stimmungsveränderungen. Nicht selten können aber auch Krankheitszeichen der Manie und der Depression gleichzeitig vorliegen, z.B. starke Unruhe bei gleichzeitiger gedrückter Stimmung. Hier spricht man von "Mischzuständen". Bipolare Störungen sind „richtige Krankheiten“, die nicht nur unsere Stimmung betreffen, sondern auch Auswirkungen auf unser Denken, unsere Gefühle, unseren Körper und unsere Fähigkeit zur Lebensbewältigung haben. Patienten, die an einer Bipolaren Störung leiden, sind genauso krank wie Menschen mit einem Herzleiden. Die Erkrankung ist weder ihre eigene Schuld, noch haben die Betroffenen eine schwache Persönlichkeit. Bipolare Störungen sind behandelbare Erkrankungen, die jeden von uns betreffen können.

Wie verlaufen Bipolare Störungen? Da es sich bei Bipolaren Störungen um kein einheitliches Krankheitsbild handelt, kann die Erkrankung sehr unterschiedlich verlaufen. Grundsätzlich gilt, dass sie in Phasen oder, wie die Fachleute sagen, in manischen oder depressiven Episoden verläuft. Die Dauer der Krankheitsepisoden kann zwischen einigen Tagen, mehreren Monaten und einigen Jahren variieren. Im Durchschnitt dauert eine Krankheitsepisode bei unbehandelten Patienten zwischen vier und zwölf Monaten. Dabei können manische und depressive Episoden einzeln auftreten oder auch ineinander übergehen. Ein Teil der Patienten bekommt mehr manische, andere mehr depressive Episoden. Auch ein Wechseln von manischer zu depressiver Episode innerhalb einer Krankheitsepisode ist möglich. Zwischen den einzelnen Krankheitsepisoden können Intervalle von mehreren Monaten oder Jahren liegen,in denen der Patient völlig beschwerdefrei ist bzw. über eine stabile Stimmungslage verfügt. In diesen Zeiten sind die Patienten meist voll leistungsfähig und in der Lage, den Anforderungen des täglichen Lebens zu genügen. Im Durchschnitt sind Patienten mit Bipolaren Störungen zwischen den einzelnen Krankheitsepisoden zwei bis drei Jahre beschwerdefrei. Darüber hinaus gibt es auch eine individuell unterschiedliche Anzahl an Krankheitsepisoden. Manche Patienten haben im Laufe Ihres Lebens nur ein oder zwei Episoden, während andere deutlich häufiger erkranken. Durchschnittlich erleiden Menschen mit Bipolaren Störungen etwa vier Krankheitsepisoden innerhalb der ersten zehn Erkrankungsjahre. Entsprechend der Art der Krankheitsepisoden und der Ausprägung werden die Bipolaren Störungen nach folgendem Schema unterteilt: • Bipolar-I-Störung Von einer Bipolar-I-Störung spricht man, wenn die Betroffenen mindestens eine über 14 Tage andauernde manische Episode und mindestens eine depressive Episode hatten. • Bipolar-II-Störung Von einer Bipolar-II-Störung spricht man, wenn die Betroffenen mindestens eine über 14 Tage andauernde depressive Episode und mindestens eine hypomane Episode (leichtere Form der Manie) hatten. • Zyklothyme Störung Von einer Zyklothymen Störung spricht man, wenn die Betroffenen über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren ständig leichte manische und depressive Stimmungsschwankungen haben, wobei die einzelnen Episoden nicht alle Kriterien einer Manie oder Depression erfüllen. Obwohl die aufgeführte Einteilung auf den ersten Blick verwirrend erscheinen mag, so hat sie durchaus Bedeutung für die Behandlungsstrategie und die Wahl der entsprechenden Medikamente. Während Patienten mit Bipolar-I- und -II-Störungen eigentlich immer medikamentös behandelt werden müssen,hängt es bei Patienten mit einer Zyklothymen Störung vom persönlichen Leidensdruck ab, ob eine entsprechende Therapie eingeleitet werden muss.

Welche Symptome gibt es bei Bipolaren Störungen? Bei einer Bipolaren Störung schwankt die Stimmung des Erkrankten zwischen den Phasen der Hochstimmung und der Niedergeschlagenheit. Dazwischen können immer wieder Phasen einer ausgeglichenen Stimmung liegen. Im klassischen Verlauf wechseln die Betroffenen während Ihrer Erkrankung immer wieder zwischen folgenden Zuständen: Der Manie, Hypomanie, Depression und einer als besonders einschränkend empfundenen Mischform zwischen Manie und Depression. Manische Episoden (Manie) Eine manische Episode oder Manie ist gekennzeichnet durch ein intensives Hochgefühl, eine übersteigerte und häufig unbegründete gute Laune sowie erhöhte persönliche Leistungsfähigkeit. Die Betroffenen empfinden sich selbst als außergewöhnlich leistungsstark, kreativ und schöpferisch. Darüber hinaus haben sie nur ein sehr geringes Schlaf- und Erholungsbedürfnis. Maniker empfinden Schlaf als Zeitverschwendung und Unterbrechung ihres (oft ziellosen) Tatendrangs. Diese Stimmungslage kann allerdings schnell in einen Zustand der Euphorie übergehen, die unter anderem durch eine mangelnde Einschätzung der Realität Informationen für Patienten und Angehörige © DGBS 2016 gekennzeichnet ist. Dabei kann es auch vorkommen, dass die Betroffenen Stimmen hören (akustische Halluzinationen) oder Dinge sehen (optische Halluzinationen), die nicht real sind. Man spricht dann von einer psychotischen Manie. Menschen, die sich gerade im Zustand der Manie befinden, leugnen hartnäckig, dass sie in irgendeiner Art und Weise Probleme hätten und reagieren oft gereizt, wenn sie von anderen auf offensichtliche Schwierigkeiten hingewiesen werden. Aus diesem Grund ist es auch beinahe unmöglich die Patienten davon zu überzeugen, dass sie krank sind. Deshalb müssen die Betroffenen in der akuten Krankheitsphase häufig gegen ihren Willen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses behandelt werden. Eine manische Episode entwickelt sich in der Regel nicht sofort, sondern sie entsteht langsam, meist über mehrere Tage hinweg. Die Betroffenen selbst empfinden den manischen Zustand oft als besonders angenehm, vor allem dann, wenn sich die manische Episode direkt an eine Phase der Depression anschließt. Viele beschreiben diesen Zustand sogar als eine beglückende Befreiung. Nachfolgend sind die wichtigsten Symptome einer Manie nochmals aufgeführt:

• Intensives Hochgefühl. Gesteigerte Leistungsfähigkeit und Kreativität. • Deutlich vermindertes Schlafbedürfnis. • Schnelles Umschlagen der Hochstimmung in Gereiztheit, vor allem wenn der Patient Widerspruch erfährt. • Distanzlosigkeit und Rededrang im Umgang mit anderen Menschen. • Gedankensprünge, die Betroffenen springen im Gespräch von einem Thema zum Anderen. Außenstehende können dem Inhalt des Gespräches nicht mehr folgen. • Sprunghaftigkeit im Handeln: Es werden viele Dinge begonnen, aber nicht zu Ende geführt. Es ist für Maniker praktisch unmöglich auch nur kurze Zeit still zu sitzen und nichts zu tun. • Eine Enthemmung in verschiedenen Bereichen, angefangen von sexuellen Handlungen bis hin zum exzessivem Kaufrausch, wobei dabei die finanziellen Möglichkeiten völlig überschritten werden. Gerade diese Enthemmungen stehen oft im krassen Widerspruch zu den eigentlichen moralischen Grundsätzen der Betroffenen und führen nach dem Abklingen der Manie zu Scham und Schuldgefühlen.

Hypomanische Episode (Hypomanie) Eine Hypomanie ist eine deutlich abgeschwächte Form der Manie. Die Symptomatik ist zwar ähnlich, aber wesentlich schwächer ausgeprägt. Meist genügt in diesem Fall eine ambulante Therapie. Häufig können die Symptome einer Hypomanie mit einer Dosisanpassung der bereits verordneten Medikamente verbessert werden. Im Gegensatz zur Manie sind die Betroffenen noch in der Lage, ihre persönliche Situation zu erfassen. Während einer Hypomanie fühlt sich der Betroffene wesentlich besser als üblich, er berichtet über eine gesteigerte Kreativität und Lebensfreude. Nun könnte man natürlich sagen, man solle dem Patienten sein Quäntchen Glück lassen. Dem stehen aber zwei große Gefahren gegenüber, die eine Therapie doch unerlässlich machen: • Bei einer hypomanischen Episode weiß man nie, wie sie endet. Im besten Fall handelt es sich nur um einen "kleinen Ausrutscher" und die Stimmungslage des Patienten stabilisiert sich nach kurzer Zeit wieder von selbst. Im ungünstigsten Fall ist die hypomanische Episode nur das Vorspiel für eine beginnende ausgeprägte manische Krankheitsphase, dann gilt es möglichst schnell einzuschreiten. • Mit jeder neu auftretenden Krankheitsepisode verschlechtert sich der Gesamtverlauf der Erkrankung. Die Abstände zwischen den einzelnen Episoden werden immer kürzer. Daher ist es notwendig, jede neu beginnende Episode möglichst schon am Anfang abzufangen und die Stimmungslage des Patienten so schnell wie möglich zu stabilisieren.

Depressive Episode (Depression) Obwohl die meisten Menschen den Begriff Depression mit Traurigkeit gleichsetzen, ist eine Depression mehr als nur ein Gemütszustand. Eine Depression ist eine Krankheit, die sowohl unser psychisches Gleichgewicht als auch unser Denken, unser Handeln und unseren Körper betrifft. Im Rahmen einer Depression ist die oft beschriebene Traurigkeit oder Niedergestimmtheit nur ein Symptom. Charakteristisch für depressive Menschen ist nicht, dass sie traurig sind, sondern dass ihre Gefühlswelt erloschen ist. Auf der einen Seite sind sie nicht in der Lage, sich zu freuen. Andererseits können sie aber bei einer traurigen Lebenssituation, wie dem Verlust eines Angehörigen auch nicht weinen. Depressive Menschen wirken oft nicht nur wie versteinert, sie sind es auch, jedenfalls was ihr Gefühlserleben betrifft. Im Rahmen einer BipolarenStörung leiden die Betroffenen während einer depressiven Episode gewöhnlich unter gedrückter Stimmung, Interessensverlust, Freud- und Ausdruckslosigkeit. Ihr Antrieb, etwas zu tun oder zu unternehmen, ist deutlich reduziert. Konzentration und Aufmerksamkeit sind ebenso wie Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen stark vermindert. Während einer depressiven Episode ändert sich die gedrückte Stimmung von Tag zu Tag wenig. Die Patienten reagieren kaum auf veränderte Lebenssituationen. Freude und Trauer werden ohne Emotionen erlebt. Im Folgenden sind nochmals die wichtigsten Symptome einer Depression aufgeführt: • Ein gesteigertes Gefühl der Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Interesselosigkeit an Dingen, die dem Erkrankten normalerweise Freude machen würden • Verlust sexuellen Interesses • Neigung zum ständigen Grübeln und pessimistische Zukunftsperspektiven • Durchschlafstörungen, früh morgendliches Erwachen oder gesteigertes Schlafbedürfnis • Appetitverlust oder gesteigerte Nahrungsaufnahme • Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen • Die Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen • Gefühle der Wertlosigkeit, Schuldgefühle, mangelndes Selbstbewusstsein • Suizidgedanken • Verschiedene körperliche Missempfindungen, wie Enge im Brustbereich, Durchfall oder Verstopfung

Gemischte Episode (Mischzustand) Während der gemischten Episode können manische und depressive Phasen entweder im kurzen Wechsel oder sogar gleichzeitig auftreten. Die Betroffenen sind in gleichem Maße erregt oder getrieben, fühlen sich mutlos und deprimiert. Gerade wegen der Kombination von gesteigerter Aktivität und Depression ist bei dieser Form das Selbsttötungsrisko besonders hoch.

Wie wird eine Bipolare Störung diagnostiziert? Obwohl Bipolare Störungen "richtige" und vor allem auch ernst zu nehmende Erkrankungen sind, gibt es zurzeit keinerlei Möglichkeiten, die Diagnose mithilfe von Laboruntersuchungen oder anderen Untersuchungsmethoden zu stellen. Die Diagnose kann nur im Rahmen einer intensiven Befragung des Erkrankten, manchmal auch der nächsten Angehörigen, eruiert werden. Wesentlicher Bestandteil der Diagnosefindung ist ein genauer Bericht der Lebensgeschichte und der Probleme des Erkrankten. Der behandelnde Arzt wird in diesen Gesprächen versuchen, bestimmte für Bipolare Störungen charakteristische Symptome zu finden. Die endgültige Diagnose wird in den allermeisten Fällen allerdings nicht beim ersten Arztbesuch gestellt werden können, da Patienten mit Bipolaren Störungen teilweise sehr vielfältige Probleme und Symptome aufweisen können. Im schlechtesten Fall können vom Auftreten der ersten Symptome, beispielsweise einer depressiven Phase, bis zur korrekten Diagnose bis zu 15 Jahre vergehen.

Warum ist es so wichtig, Patienten mit Bipolaren Störungen zu erkennen und sie zu therapieren? Bis zur exakten Diagnosestellung waren die meisten Patienten in Deutschland im Durchschnitt innerhalb von acht Jahren bei drei bis fünf verschiedenen Ärzten und haben bereits mehrere Therapieversuche hinter sich. Dabei ist die Prognose der Erkrankung wesentlich davon abhängig, wie schnell die Diagnose gestellt wird und zu welchem Zeitraum eine entsprechende Therapie eingeleitet wird. Grundsätzlich gilt, je weniger Krankheitsphasen bis zur Einleitung einer Therapie vorliegen, desto besser sprechen die Patienten auf die Behandlung an. Durch eine schnelle Therapieeinleitung können psychische und soziale Probleme vermieden werden: Vermeidung von Suizidversuchen (Selbsttötung)Gerade während der Entstehungsphase der Erkrankung ist das Risiko für einen Suizid am größten. Patienten mit Bipolaren Störung gelten deshalb in der Psychiatrie als diejenigen mit dem höchsten Selbsttötungsrisiko.

Vermeidung von Alkohol-, Drogen- und Medikamentenmissbrauch Bei ungefähr der Hälfte aller Erkrankten finden sich in der Krankengeschichte Hinweise auf den Missbrauch von Alkohol, Drogen oder Medikamenten. Häufig werden die unterschiedlichen Substanzen zur "Selbsttherapie" eingesetzt. Viele Patienten versuchen dadurch ihren Leidensdruck zu reduzieren und geraten dabei unweigerlich in die Abhängigkeit.

Vermeidung von Beziehungskonflikten und Erhaltung der Arbeitskraft Je schneller die Betroffenen behandelt werden, desto höher ist die Chance, dass eine bestehende Partnerschaft nicht unter dem Druck der Erkrankung zerrüttet wird und die Arbeitskraft des Erkrankten erhalten bleibt.

Vermeidung von falschen Behandlungsmethoden Werden Bipolare Störungen nicht als solche erkannt, besteht die Gefahr, dass die Symptome der Betroffenen mit ungeeigneten Medikamenten behandelt werden. Im schlimmsten Fall kann es dadurch zu einer Verschlechterung der Erkrankung oder zur Auslösung einer weiteren Krankheitsepisode kommen.

Zu welchem Zeitpunkt kann eine Bipolare Störung auftreten? Gewöhnlich treten die ersten Symptome einer Bipolaren Störung zwischen dem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr auf. In seltenen Fällen können die ersten Krankheitsepisoden auch schon bei Jugendlichen vorkommen. Bei Menschen, die nach dem fünfzigsten Lebensjahr an einer Manie erkranken, ist eine Bipolare Störung relativ unwahrscheinlich. In diesen Fällen ist die zugrunde liegende Ursache meist eine neurologische Erkrankung oder ein Alkohol- oder Drogenmissbrauch. Die Erkrankung betrifft Männer und Frauen zu gleichen Teilen, wobei die Erkrankung bei Männern eher mit manischen Episoden und bei Frauen eher mit depressiven Episoden beginnt. Insgesamt sind in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1,5 - 3% der Bevölkerung von Bipolaren Störungen betroffen, das entspricht etwa zwei Millionen Menschen. Damit leiden in Deutschland mehr Menschen an Bipolaren Störungen als an Diabetes mellitus.

Wie können Bipolare Störungen behandelt werden? Mittlerweile stehen der modernen Medizin verschiedene Möglichkeiten zur Behandlung von Patienten mit Bipolaren Störungen zur Verfügung. Bevor jedoch auf die einzelnen Behandlungsmethoden eingegangen wird, ist es wichtig für die Betroffenen und ihre Angehörigen zu wissen, was durch die Therapie erreicht werden soll! Die Behandlung der Bipolaren Störungen verfolgt im Wesentlichen drei Ziele:

Die Akutbehandlung Ziel der Akutbehandlung ist es, den Patienten aus seiner momentanen manischen, hypomanischen,depressiven oder gemischten Krankheitsepisode "herauszuholen", den akuten Leidensdruck zu reduzieren und die Krankheitseinsicht des Patienten wiederherzustellen. In dieser Phase der Behandlung kommen abhängig von der Schwere und den Symptomen der Krankheitsepisode verschiedene Medikamente (Stimmungsstabilisierer und Interventionsmedikamente), Wach- und Elektrokrampftherapie zum Einsatz.

Erhaltungstherapie Ist eine deutliche Besserung der Krankheitssymptome eingetreten, schließt sich die Erhaltungstherapie an. Ihr Ziel ist es, die noch etwas "wacklige" Situation des Patienten weiter zu stabilisieren und einen direkten Rückfall zu verhindern. In dieser Phase wird versucht, die optimale medikamentöse Therapie für den Patienten zu finden. Gleichzeitig kann bereits mit einer unterstützenden Psychotherapie begonnen werden.

Rückfallvorbeugung (Prophylaxe) Hat sich die Stimmungslage des Patienten wieder "normalisiert", gilt es langfristig weitere Krankheitsepisoden zu verhindern und den Patienten so vollständig wie möglich sozial und beruflich wieder einzugliedern. Die medikamentöse Therapie wird auf das zur Erhaltung der ausgeglichenen Stimmung notwendige Maß reduziert. Gleichzeitig soll der Patient durch verschiedene psychotherapeutische Maßnahmen lernen, mit seiner Krankheit umzugehen und eine beginnende Krankheitsepisode zu erkennen.

Wie lange dauert die Behandlung einer Bipolaren Störung? Sowohl Patienten und Angehörige müssen sich darüber im Klaren sein, dass eine Bipolare Störung im Regelfall das ganze Leben lang behandelt werden muss. Die Intensität der Behandlung kann dabei zwar unterschiedlich sein, aber ohne Behandlung wird eine dauerhafte Stabilisierung der Stimmung nicht möglich sein. Viele Patienten und Angehörige werden sich jetzt fragen, warum das so ist. Wie im Abschnitt "Wie können Bipolare Störungen entstehen?" bereits erklärt, leiden Patienten mit Bipolaren Störungen an einer anlagebedingten (genetischen) Anfälligkeit für diese Erkrankung und es gibt zurzeit noch keine Möglichkeit, diese genetische Anfälligkeit zu korrigieren. Die modernen Therapiemethoden können "nur" zu einer dauerhaften Unterdrückung dieser Anlage beitragen.

Welche Behandlungsmethoden werden bei Bipolaren Störungen eingesetzt? Grundsätzlich werden in der Behandlung Bipolarer Störungen verschiedene Behandlungsmethoden eingesetzt. Neben der medikamentösen Therapie, die die meisten Patienten den Rest ihres Lebens begleitet, kommen auch Verfahren der Psychotherapie sowie Wach- und Elektrokrampftherapie zum Einsatz. Welche Therapiemethoden eingesetzt werden, hängt sowohl von der Schwere der Ekrankung als auch vom Verlauf ab.

Medikamentöse Therapie Zur medikamentösen Intervention bei einer Bipolaren Störung werden heute zwei verschiedene Medikamentengruppen eingesetzt: Stimmungsstabilisierer und Interventionsmedikamente. Wichtig zu wissen ist, dass diese Medikamente etwa ein bis drei Wochen benötigen, bis sie ihre volle Wirksamkeit entfalten. Patienten und Angehörige sollten sich also nicht entmutigen lassen, wenn sich trotz regelmäßiger Medikamenteneinnahme in den ersten Tagen noch keine sichtbare Wirkung einstellt. • Stimmungsstabilisierer Stimmungsstabilisierer werden sowohl in der Akut- und Erhaltungstherapie als auch zur Rückfallprophylaxe verwendet. Sie begleiten den Patienten sein ganzes Leben lang. Wie ihr Name schon sagt, dienen sie vor allem dazu, die Stimmungslage des Patienten akut wie auch langfristig zu stabilisieren. Je nachdem, ob der Betreffende gerade eine manische oder depressive Krankheitsepisode durchmacht, kommen verschiedene Substanzen zum Einsatz. Als Stimmungsstabilierer werden heute Lithium und die drei Antiepileptika Carbamazepin, Valproat und Lamotrigin sowie die atypischen Neuroleptika Quetiapin und Olanzapin eingesetzt. • Interventionsmedikamente Interventionsmedikamente kommen immer dann zum Einsatz, wenn während der Akutbehandlung einer Depression oder Manie die alleinige Gabe von Stimmungsstabilisierern nicht ausreichend ist. Im Wesentlichen werden vier verschiedene Substanzklassen eingesetzt: Neuroleptika, Antidepressiva sowie Hypnotika und Sedativa. Nicht-medikamentöse Therapieformen Neben der medikamentösen Therapie werden noch eine Reihe nicht-medikamentöser Behandlungsmethoden eingesetzt, die entweder eine unterstützende Funktion haben oder sich durch eine schnellere Wirksamkeit auszeichnen. • Psychotherapie Die im Rahmen der Bipolaren Störungen eingesetzten psychotherapeutischen Verfahren sollen dem Patienten helfen mit seiner Erkrankung umzugehen, sie zu akzeptieren und ihm helfen, bestimmte Auslöser einer Krankheitsepisode zu verhindern. Die Psychotherapie setzt sich also mit dem „Hier und Jetzt“ auseinander und nicht mit dem „Warum“. • Wachtherapie Wie bereits erwähnt, können verschiedene Körperhormone bei sensiblen Menschen eine Depression auslösen bzw. erhalten. Es hat sich gezeigt, dass gerade diese Hormone in der zweiten Hälfte der Nacht, wenn die Betroffenen schlafen, ausgeschüttet werden. Die Grundidee der Wachtherapie ist es, diese gefährliche Phase der Nacht zu überbrücken und die Patienten am Schlafen zu hindern. Mehrere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wachtherapie in der Behandlung von Depressionen sehr wirkungsvoll ist. Leider hat sie nur eine unzureichende rückfallvorbeugende Wirkung und wird deshalb in der Akutbehandlung einer Depression zusammen mit Stimmungsstabilisierern eingesetzt. • Elektrokrampftherapie (EKT) Obwohl die Elektrokrampftherapie häufig sehr negativ in der Öffentlichkeit dargestellt wird, ist sie zurzeit die wohl wirksamste Therapiemethode zur Behandlung von schweren depressiven und manischen sowie psychotischen Krankheitsepisoden. Sie wird immer dann eingesetzt, wenn bei den Betroffenen eine hohes Selbsttötungsrisiko besteht, die Symptomatik so schwerwiegend ist, dass man nicht warten kann, bis entsprechende Medikamente richtig wirken oder die Patienten nicht mehr auf verfügbare Medikamente ansprechen. Die Elektrokrampftherapie wird unter einer Kurzzeit- Vollnarkose durchgeführt. Mit Hilfe von zwei Elektroden wird ein zwanzig bis vierzig Sekunden dauernder Krampfanfall ausgelöst, der von selbst wieder aufhört und zu einer Stimulation des Nervensystems führt. Dadurch werden für die Stimmungsstabilisierung wichtige Neurotransmitter wie Dopamin oder Serotonin freigesetzt. Da sich die Patienten während der Behandlung in Narkose befinden, spüren sich nichts. Die Elektrokrampftherapie wird nur in der Akutbehandlung eingesetzt.