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WahnsinnsFrauen

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Buchtitel

"WahnsinnsFrauen" erschien in drei Bänden ab 1992, herausgegeben von Luise Pusch und Sibylle Dada. Die Bände präsentieren jeweils eine Reihe von historischen Frauenporträts.

Entsprechend bieten die drei Bände eine Fülle an Material zu (historischer) weiblicher Psychiatrie-Erfahrung, schwerpunktmäßig zum 19. und 20. Jahrhundert.

Darunter zum Beispiel Adalgisa Conti, deren Lebensgeschichte sich "wie ein Konzentrat der Greuel aller übrigen Biografien" lese (Bd. 2, 394). Sie musste siebzig Jahre in Anstalten verbringen, wo sie 1914 ihre Autobiografie schrieb.

Oder die Berlinerin jüdischen Ursprungs Nelly Sachs mit ihren "Gedichten aus dem Irrenhaus".

Den Bänden liegt eine Theorie zum "weiblichen Wahnsinn" zugrunde: dieser sei "nicht so sehr ein psychiatrisches oder individuelles Problem", sondern ein gesellschaftliches (Sibylle Duda im Vorwort zu Band 2). Es geht hier um Frauen, die durch männliche Dominanz, Ignoranz oder Gewalt krank und "verrückt" geworden sind oder dazu erklärt wurden. Um selbstbestimmte Frauen, die als hysterisch diffamiert, um unbequeme Frauen, die pathologisiert wurden. Um Frauen, die versuchten, aus dem Geschlechterstereotyp auszubrechen.

"Wahnsinn" ist hier durchaus doppeldeutig gemeint, nimmt also Bezug auf reale Anstalts- und "Behandlungs"-Erfahrungenen, und gleichzeitig als Auszeichnung: es werden Frauen gewürdigt, die (trotzdem? Oder gerade deswegen?) sehr begabt waren und Großes geleistet haben, als "Künstlerinnen oder Rebelinnen" (S. 396 Bd. 2).

Zur Einordnung in den Diskurs über Traumatisierung:

Vor allem werden sexualisierte Gewalt im bürgerlichen Alltag und strukturelle Gewalt im Patriarchat als Ursachen für den (vermeintlichen) weiblichen "Wahnsinn" thematisiert. Dieser sei "sekundär", im Vergleich zum "strukturellen (primären)" Wahnsinn. (Vgl. Nachwort Bd. 2)

Ab 1980 wurde im Zusammenhang mit Kriegsveteranen der Begriff PTBS (posttraumatische Belastungsstörung) geprägt. Erst später wurde dank des Engagements der Frauenbewegung der Begriff ausgeweitet auf sexualisierte Gewalt, in der Beobachtung, dass sich eine ähnliche Symtomatik zeigt, wie bei Kriegsheimkehrern. In diesen Diskurs gehört das Buch, das die Folgen der erlebten Gewalt anhand der Fraunenbiografien aufzeigt.

In diesem Zusammenhang verdient das Buch eine Triggerwarnung. Die Lektüre kann empowern, kann aber auch erschrecken, zum Beispiel das eben erwähnte Nachwort Bd. 2.

Vollständige Liste der enthaltenen Porträts:

Band 1: Johanna die Wahnsinnige (1479-1555) Théroigne de Méricourt (1762-1817) Emilie Kempin (1853-1901) Helene von Druskowitz (1856-1918) Bertha Pappenheim (1859-1936) Camille Claudel (1864-1943) Virginia Woolf (1882-1941) Ellen West (ca.1890-ca.1924) Agnes von Krusenstjerna (1894-1940) Irmgard Keun (1905-1982) Sylvia Plath (1932-1963)

Band 2: Charlotte Perkins Gilman (1860-1935) Séraphine Louis (1864-1942) Else Lasker-Schüler (1869-1945) Sir Galahad (1874-1948) Ida Bauer (1882-1945) Sabina Spielrein (1885-1941) Adalgisa Conti (1887-1983) Nelly Sachs (1891-1970) Milena Jesenská (1896-1944) Zelda Fitzgerald (1900-1948) Lore Berger (1921-1943) Anne Sexton (1928-1974) zusätzlich: Beitrag über Wahnsinnsfrauen in der Oper

Band 3: Unica Zürn Elfriede Lohse–Wächtler Kate Chopin Elizabeth Packard Marilyn Monroe Margery Kempe Christine Lavant Adèle Hugo Adelheid Duvanel